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Senf dazu: Der lange qualvolle Tod des Kinos - Et tu, Micky Maus?

Die Pandemie hat vieles, ja alles verändert. Die Arbeiten, das Leben, das Reisen und auch die Unterhaltung. Letzteres hat zur Folge, dass Strea­ming das Kino als wichtigste Plattform für Filme ablöst oder abgelöst hat. Doch ist es eine Veränderung zum Guten oder Schlechten?
08.12.2020  14:45 Uhr
Vergangene Woche gab es einen Knalleffekt, den die Kinobranche so noch nie erlebt hat: Denn der Filmriese Warner Bros. hat angekündigt, dass man 2021 ausnahmslos alle seine Filme - 17 an der Zahl - sowohl im Kino als auch per Streaming zeigen wird. Das Ganze hat zwar einige Aber, darunter die Tatsache, dass die Streifen nach einem Monat von HBO Max wieder verschwinden sowie das alles vorerst nur für das nächste Jahr gilt, doch die Message ist klar: Das Kino spielt nicht mehr die Hauptrolle.

Et tu, Brutus?

Am Donnerstag schon könnte das Kino das nächste Kapitel einer Tragödie nach Shakespeare'schen Ausmaßen erleben. Denn Julius Caesar (das Kino) könnte den nächsten Dolch des nächsten Verschwörers (Filmunternehmen) in seine Brust gerammt bekommen.

Denn am Donnerstag veranstaltet Disney ein Investoren-Event, auf dem man die Streaming-Pläne für 2021 vorstellen wird. Dort wird es das Übliche geben, also Bekanntgaben von neuen Serien für Disney+, darunter neue Details zu Shows wie The Falcon and the Winter Soldier sowie WandaVision, Informationen zu neuen Star Wars-Produktionen und ähnliches.

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Doch das ist vermutlich nicht alles. Denn auch Disney sitzt derzeit auf vielen Filmen, die man wegen der Coronakrise nicht veröffentlichen kann. Bestes Beispiel ist Black Widow, dieser Streifen wartet seit dem Frühjahr auf die Veröffentlichung. Hier fehlt einerseits das Geld aus den Einspielergebnissen, das Disney dringend benötigt, andererseits hält die Nicht-Ver­öf­fent­li­chung von Black Widow die gesamte "Maschine" des Marvel Cinematic Universe auf.

Vorbild Warner Bros. bzw. Mulan

Deshalb rechnen viele damit, dass Disney dem Warner-Beispiel folgt und eine vergleichbare Streaming-Offensive ankündigt. Das wäre auch nicht wirklich neu, denn die Realverfilmung von Mulan war bereits ein ganz ähnliches Experiment - es ist allerdings nicht genau bekannt, wie erfolgreich es war.

Vergleichen lassen sich die Schritte von Warner Bros. und (potenziell) Disney aber nicht, denn die Streaming-Ausgangslösungen sind denkbar unterschiedlich: So hat Disney+ bereits Millionen an Abonnenten, HBO Max ist hingegen nur sehr mühsam aus den Startlöchern ge­kom­men. Auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen sind nicht zu vergleichen, denn Dis­ney braucht dringend Geld, WarnerMedia kann es sich hingegen leisten, in HBO Max zu in­ves­tie­ren und Abonnenten bei Stange zu halten, indem man ihnen einmal im Monat einen Block­bus­ter wie Dune oder Matrix 4 serviert.

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AT&T kann auf das Kino pfeifen

Das liegt auch daran, dass WarnerMedia in Besitz des Telekommunikationsriesen AT&T ist: Und dieser ist nicht unbedingt daran interessiert, dass Leute ins Kino gehen. AT&T will, dass ge­streamt wird, am besten über die eigenen Netze. Disney ist hingegen auf Kino- oder auch Strea­ming-Einnahmen angewiesen (also auch auf das Mulan-Modell, bei dem ein Film gegen Ex­tra-Be­zah­lung auf Disney+ läuft), da andere Geschäftsbereiche wie Themenparks derzeit tief­ro­te Zahlen schreiben.

Kino (ca. 1892 bis 2020)

Ob und wie diese Rechnung für Disney, Warner Bros. und wohl auch noch andere aufgeht, wird sich erst zeigen. Klar ist nur eines: Die Kinos sind die Verlierer. Und das ist extrem scha­de, auch wenn in vielen Kommentaren offen und versteckt Häme geäußert wird. Denn es wer­den zehn- und vielleicht hunderttausende Menschen ihre Arbeit verlieren, wenn Kino­ket­ten und einzelne Häuser schließen müssen. Es wird wohl schon bald deutlich schwie­ri­ger sein, ein Kino zu finden, um einen bildgewaltigen Film wie Dune zu sehen.

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Ohne Frage: Die Krise ist für Kinos ein Stück weit hausgemacht. Denn ob aus Gier oder wirt­schaft­licher Notwendigkeit: Kino war zuletzt zu teuer. Für etwa eine vierköpfige Familie be­deu­te­te ein gemeinsamer Besuch immer häufiger eines: einen Luxus, den man sich nicht oft leisten kann. Ein Gesundschrumpfen ist hier sicherlich wünschenswert, denn es stellt sich auch die Frage, ob ein Multiplex, in dem in 18 von 20 Kinosälen der neueste Blockbuster läuft, noch etwas mit Kino-"Kultur" zu tun hat.

Allerdings ist zu befürchten, dass es kein Ge­sund­schrump­fen sein wird, sondern ein Kahl­schlag. Wir wollen aber dennoch op­ti­mis­tisch bleiben: Denn es ist zu hoffen oder auch zu erwarten, dass Event-Kinos und auch kleine ex­klu­si­ve Licht­spiel­häu­ser über­le­ben werden - und ähnlich wie Vinyl im Musiksektor eine treue Anhängerschaft finden werden.

Das Geschäft wird sich aber auf alle Fälle komp­lett verändern, denn Streaming wird auch Ver­wer­tungs­ket­ten (Kino, Heimkino, Streaming, Fernsehen etc.) zerstören und damit auch Budgets verändern.

Ob sich alles zum Guten oder Schlechten ändern wird? Beim besten Willen: Das kann derzeit niemand prophezeien. Klar ist nur: Die Büchse der Pandora ist derzeit weit offen. Ob am Ende die Hoffnung herauskommt, wird sich erst zeigen.

Anmerkung: Dieser Kommentar kann und will gar nicht alle Aspekte der aktuellen Ent­wick­lun­gen in Sachen Kino und Streaming abdecken, weshalb wir euch, die Leser, explizit auffordern möchten, von der Kommentarfunktion intensiv Gebrauch zu machen. Sagt uns eure Meinung und diskutiert über dieses so interessante Thema!

Nachtrag/Korrektur: In der ursprünglichen Fassung dieses Beitrags wurde der Dienstag, der 08.12., als Termin für das Disney-Investoren-Event genannt, tatsächlich findet diese Veranstaltung aber erst am Donnerstag, den 10.12 statt.
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