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Vivaldi-Chef über Microsoft: "Nutzer überzeugt man nicht durch Zwang"

Jon von Tetzchner war jahrelang führend an der Entwicklung von Opera beteiligt, verließ das Unternehmen aber vor etwa fünf Jahren. Es zog ihn aber ins Browser-Geschäft zurück und er konnte mit Vivaldi viele Sympathien gewinnen. Wir haben den gebürtigen Isländer getroffen.
Vivaldi
15.11.2016  15:07 Uhr
WinFuture: Als wir seinerzeit Vivaldi erstmals zum Download angeboten haben, meinten viele Nutzer, dass das Opera sei, wie sie es immer schon haben wollten. Ist das eine Ehre oder doch eher eine Last für Sie? Jon von Tetzchner: Als ich Opera 2011 verlassen habe, wollte ich Opera weiternutzen, schließlich sind all meine Freunde dort und ich war überzeigt davon, dass sie weiterhin einen großartigen Browser machen werden. Ich bin dann in die USA gezogen und habe begonnen, in andere Unternehmen zu investieren. Dann aber gab es bei Opera eine Entscheidung, alles Bisherige über Bord zu werfen und komplett neu anzufangen. Die Nutzer waren unglücklich und ich auch. Mir hat die Richtung nicht gefallen, ich wollte den Nutzer immer voranstellen. Es gab früher keine Berechnung, welches Feature drin sein sollte. Also beschloss ich, selbst wieder einen Browser zu machen, der diesen "User First"-Geist aufgreift.

Hat Ihrer Meinung nach Opera daraus gelernt, also auch aus dem Erfolg von Vivaldi?

JvT: Sie haben natürlich gesehen, dass wir viel Aufmerksamkeit bekommen und in einigen Bereichen haben sie auch einige Verbesserungen durchgeführt. Aber ich denke, dass es dennoch eine ganz andere Richtung ist, in die sie gehen. Im Fall von Vivaldi glaube ich nicht, dass es einen zweiten Browser gibt, der so viel Wert auf Anpassungsmöglichkeiten legt. Bei uns kommt der Nutzer tatsächlich zuerst und das basiert nicht auf Statistiken oder ähnlichem. Wenn jemand aus der Community etwas Vernünftiges vorschlägt, dann machen wir es. Und so macht das sonst niemand.

Jon von Tetzchner
Vivaldi-Gründer und -Chef Jon von Tetzchner

Vivaldi bietet von Beginn an enorme Individualisierungsmöglichkeiten an. Ist es denkbar, dass Durchschnittsnutzer davon etwas überfordert sind?

JvT: Nein. Denn im Normalfall läuft das bei uns so: Ein technisch versierter Nutzer mag Vivaldi und denkt sich, dass der auch seinen Eltern gefallen könnte. Aber die sind eben technisch nicht ganz so bewandert. Also installiert er ihnen den Browser und danach kommen sie auch bestens mit damit zurecht. Deshalb konzentrieren wir uns auch auf die technisch bewanderte Zielgruppe und darauf, dass diese den Browser an Freunde und Familie weiterempfiehlt.

Vivaldi bezieht seine Community sehr eng in die Entstehung des Programms ein und testet das meiste auch öffentlich. Microsoft macht es inzwischen ähnlich und erlaubt den Insidern vergleichbare Beteiligung. Hat sich die Tech-Welt generell in diese Richtung verändert?

JvT: Nicht wirklich. Mein Eindruck ist nach wie vor, dass es üblich ist, etwas zu veröffentlichen und dann Feedback zu bekommen. Das ist auch nicht unbedingt neu, Netscape hat beispielsweise ganz ähnlich gearbeitet. Wir haben aber besonders enge Kreise mit sehr viel Feedback und das erlaubt uns, Features umzusetzen, die diesbezüglich schon sehr weit fortgeschritten und poliert sind.

Sind Windows 10 und das Windows Insider-Programm zumindest ein Schritt in die richtige Richtung?

JvT: Das Interessante an Microsoft ist, dass sie bei Windows einen Zyklus mit einem guten und einem schlechten Release hatten, was wirklich traurig war. Vista war nicht gut, Windows 8 war das auch nicht. Hingegen war Windows 7 gelungen, ebenso wie Windows 10 - bis auf die Tatsache, dass es ständig meinen Default-Browser resettet. Was ich aber mag, ist, dass sie versuchen innovativ zu sein und neue Denkweisen versuchen, etwa bei Touchscreens. Mit anderen Ideen hatten sie hingegen weniger Glück. Letztlich glaube ich aber, dass solche großen Unternehmen zwar Feedback einholen, aber letztlich eine kleine Gruppe von Leuten entscheidet, was umgesetzt bzw. berücksichtigt wird. Weil diese Leute glauben, dass sie es besser können und ungern Input wollen.

Vivaldi-CEO erklärt die Idee hinter dem Browser
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Das Microsoft-Modell von Windows as a Service erinnert ein wenig an Browser-Entwicklung und deren ständige Updates. Ist das eine richtige Entscheidung?

JvT: Ja, das denke ich. Es ist sicherlich besser, auch ein Betriebssystem fortlaufend zu aktualisieren. Diese mehrjährigen Haupt-Releases haben nur Ärger bedeutet.

Bei Browsern hat es eine signifikante Änderung gegeben: Microsofts IE ist abgestürzt, stattdessen dominiert nun Chrome. Beunruhigt Sie, dass es wieder einen Dominator gibt?

JvT: Ich kenne keine Welt ohne einen derartigen Marktführer. Ich mache Browser seit 1994 und es hat immer einen großen gegeben. Im Vergleich zu alten Zeiten ist Chrome aber immer noch der verhältnismäßig schwächste in dieser Reihe.

Vivaldi arbeitet auf Basis von Chromium. Können auch Sie direkt oder indirekt von dieser aktuellen Chrome-Stärke profitieren?

JvT: Indirekt durchaus, da wir heutzutage nicht mehr vor den Problemen stehen wie damals bei Opera als es immer wieder Schwierigkeiten bezüglich der Kompatibilität gab.


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